Wie oft stehen wir im Leben vor Entscheidungen, die uns den Schlaf rauben. Schier endlos scheinen die Stunden, in denen wir das Für und Wider abwägen, Vor- und Nachteile betrachten oder versuchen, eine innere Richtschnur zu entdecken – etwas das uns sagt, wo es langgeht. Unsere Betrachtungen sind geprägt von Moral, Erfahrungen der Vergangenheit, eigenen oder fremden Befürchtungen und Hoffnungen...und je mehr wir davon in die Waagschale werfen, desto verschwommener wird unsere Sicht. Die Stimme der Vernunft hebt den Zeigefinger, während das Kind in uns vielleicht ein neues Abenteuer sucht. Der Sessel der Gewohnheit scheint uns manchmal genauso verlockend, wie der Ruf des Unbekannten.
Nun, nicht alle Entscheidungen sind groß. Manchmal sind es nur Bruchteile von Sekunden, in denen wir eine Wahl treffen. In einem Gespräch, in einer Reaktion folgen wir oft unseren Vorlieben und Abneigungen und zumeist geschieht das unbewusst. Erst später reflektieren wir, dass wir einer alten Neigung gefolgt sind.
Vielleicht haben wir im Laufe unseres Lebens schon mal festgestellt, wie hilfreich die richtigen Fragen sind, um sich über etwas bewusst zu werden. Im richtigen Moment gestellt, können sie den Lauf der Dinge ändern. Am besten sind die Fragen, die wir uns selbst stellen können. Auch wenn uns etwas in Rage bringt, wir uns zur Eile getrieben fühlen, wir nicht mehr wissen, was wir eigentlich empfinden oder den Kontakt zu uns selbst verloren haben, können uns bestimmte Fragen helfen, wieder auf die richtige Spur zu kommen. Nicht immer sofort, aber mit der Zeit.
Hin und wieder brauchen wir in diesem Prozess also Geduld, bis die Fragen uns zu einem lieben Begleiter geworden sind. Wie bei einem Stein, den man ins Wasser wirft und der nun langsam seine Kreise zieht. Erst nach und nach wird der Spiegel des Wassers wieder klar und still. Das ist oft der Moment, in dem die Antwort zu uns kommt. Ebenso brauchen wir den Zustand der Empfänglichkeit. Erst das Lauschen lässt die Antwort aus dem Herzen aufsteigen. Unverhofft, ehrlich und klar.
Ein paar der möglichen Fragen, die wir uns in schwierigen Situationen stellen können, habe ich hier zusammengetragen. Gerne könnt Ihr sie mit Euren persönlichen Favoriten ergänzen. Hier findet Ihr nur erste Impulse.
In der Stille gestellt, sind solche Fragen auch in der Lage, verworrene Knoten zu lösen. Vorausgesetzt, wir sind uns selbst ( und damit auch anderen ) gegenüber absolut ehrlich. Egal wie wir uns entscheiden, am Ende zählt nur, wie aufrecht und bewusst wir damit stehen. Für uns selbst und für die, mit denen wir verbunden sind.
Die hier für Euch aufgelisteten Fragen sind nach Themen geordnet, die ich im Alltag relevant finde. Wenn Ihr sie anwenden wollt, findet Ihr also leicht zum Punkt. Viel Freude beim Ausprobieren!
Kommunikation
- Bin ich gerade still genug, um zu antworten?
- Warum will ich das mitteilen?
- Ist es ehrlich?
- Bezieht sich das was ich sagen will auf die Gegenwart?
- Ist es wohlwollend?
- Ist das was ich sagen will hilfreich? Für wen?
- Könnte ich mich irren?
- Ist es auszusprechen jetzt die beste Wahl?
- Ist was ich sage meine gelebte Erfahrung?
- Würde ich wollen, dass man das über mich sagt?
- Wiederhole ich mich gerade?
- Will ich gerade Recht haben?
- Will ich mit dem was ich sage, den anderen beeinflussen?
- Vermehrt was ich sage die Freude und das Mitgefühl?
- Bin ich gerade offen für den anderen?
Handlungsbedarf
- Fühle ich mich gerade gedrängt oder getrieben?
- Kann ich im Augenblick etwas an der Situation ändern? Was?
- Was erhoffe ich mir davon?
- Ist das meine Baustelle?
- Warum will ich es ändern?
- Muss ich es sofort tun?
- Ist es not-wendig? Wendet es die Not?
- Muss ich dafür etwas überwinden?
- Wem dient das, was ich tun will?
- Ist es ein Reflex?
- Heilt es die Situation?
- Ist es das Beste, was mir gerade möglich ist?
- Was fühle ich eigentlich gerade?
- Wie ist mein Herzschlag?
- Wohin schaue ich?
- Brauche ich dazu mehr Kraft, als ich gerade habe?
- Dient es einer kurzfristigen Freude oder einem langfristigen Ziel?
Begegnung/Freundschaft/Beziehung
- Will ich gerade Kontakt?
- Ist die Verbindung zu diesem Menschen aufbauend und lebendig?
- Gibt es etwas, das geklärt werden muss?
- Meine ich genau diesen Menschen?
- Habe ich ehrliches Interesse?
- Bin ich offen für das, was durch diesen Menschen zu mir kommt?
- Was würde es in meinem Leben verändern, diesen Menschen loszulassen?
- Habe ich gerade ein Empfinden dafür, wie es dem anderen geht?
- Respektiere ich sein Wesen?
- Will ich etwas haben?
- Bin ich geduldig?
- Macht die Begegnung uns beide froh?
- Habe ich Vorbehalte? Welche?
- Zeige ich mich? Ist mein Herz offen?
- Liebe ich?
- Bin ich authentisch?
- Wie geht es mir während der Begegnung?
- Wie geht es mir nach der Begegnung?
- Vertraue ich diesem Menschen?
- Bringt dieser Mensch das Beste in mir zum Vorschein?
- Vermehren sich im Zusammensein Freude und Liebe?
- Träume ich oder ist unsere Begegnung real?
Spiritualität
- Trägt das was ich tun will, zu mehr Frieden bei?
- Welche Welt sehe ich gerade?
- Aus welcher Quelle kommen diese Gedanken?
- Kann ich diesen Zustand bedingungslos akzeptieren?
- Bin ich gerade bewusst oder bin ich mit etwas identifiziert?
- Ist dies eine Gelegenheit zur Vergebung?
- Bin ich gerade still genug, um die Wahrheit in meinem Innern zu hören?
- Lebe ich was ich gelernt habe, in diesem Moment?
- Gibt es in dieser Welt etwas, das verändert werden muss?
- Liegt das was ich sehe, außerhalb von mir?
- Stimmt das was ich tue/sage mit meinen höchsten Absichten überein?
- Ist das, was ich tue von Herzen mein Dienst?
Zum Schluss noch eine kleine Inspiration über das Wesen der Fragen, vor allem aber über das Wesen der Antworten. Das Gedicht stammt aus der Feder einer meiner Lieblingsdichter - Rainer Maria Rilke.
Über die Geduld
Man muss den Dingen
die eigene, stille
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann,
alles ist austragen – und
dann gebären…
Reifen wie der Baum,
der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer
kommen könnte.
Er kommt doch!
Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind, als ob die Ewigkeit
vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit…
Man muss Geduld haben.
Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.
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